Die Stimme verfälscht, das Gesicht vermummt: Mit einem spektakulären Video macht ein Sprecher der gefürchteten Mara-Gangs in El Salvador der Regierung ein vermeintlich verlockendes Angebot. Im Namen der bewaffneten Jugendbanden "Mara Salvatrucha" und "Barrio 18" verkündet er, dass die Mitglieder die Anweisung erhalten hätten, das Morden im ganzen Land einzustellen. Dieser Schritt solle dem Volk und der Regierung beweisen, dass keine Notwendigkeit bestehe, Notstandsmaßnahmen zu ergreifen.
Während das Video auf Youtube schon fast 60.000 Mal abgerufen wurde, bewertete El Salvadors katholische Kirche den Clip zurückhaltend: "Es ist Aufgabe der Autoritäten, darauf zu reagieren", sagte San Salvadors Erzbischof Jose Luis Escobar. Welche Entscheidung auch immer die Regierung treffe, sie dürfe die Sicherheit des Volkes nicht gefährden. Der Einsatz des Militärs zur Unterstützung der Polizei ist im Land umstritten.
Hartes Vorgehen gegen Gangs
Das über die sozialen Netzwerke verbreitete Angebot kam aber offenbar zu spät. El Salvadors Linksregierung unter Präsident und Ex-Guerillero Salvador Sanchez Ceren hat sich inzwischen für eine harte Gangart gegen die Mara-Gangs entschieden, die wegen ihrer Gewalt und furchteinflößenden Tätowierungen weltweit berüchtigt sind. Er verhängte nach den jüngsten Gewaltausbrüchen den Notstand.
Darunter fällt unter anderem auch das Unterbinden jeglicher Kommunikation zwischen den in den Gefängnissen einsitzenden Häftlingen und der Außenwelt. Bis Mitte April ist jeder Kontakt untersagt, nicht einmal Familienangehörige dürfen die Gefangenen besuchen.
Strenge Kontrolle der Gefängnisse
Justizminister Mauricio Landaverde erläuterte weitere Maßnahmen: Das Militär werde künftig die Gefängnisse umstellen, sodass die Außenbereiche bewacht seien. Zudem würden verhaftete führende Mitglieder der Gangs in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht, um deren Kontrolle sicherzustellen.
Damit will die Regierung die Befehlsketten unterbrechen, denn die Banden werden oft aus den Gefängnissen heraus kommandiert. Die Chefs der Gangs behalten ihren Rang auch in den Haftanstalten und werden weiterhin als Autoritäten innerhalb der Banden akzeptiert.
Die Mara-Gangs sind in ganz Mittelamerika gefürchtet. Unter dem Begriff "Mara" wird eine Vielzahl von Banden zusammengefasst, die in Nord- und Mittelamerika agieren. El Salvador gilt als Ursprungsland der Bewegung. Allein in diesem Land gibt es nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen bis zu 100.000 Mitglieder dieser gewaltbereiten Gangs, die mit Drogenhandel, Schutzgelderpressung oder Prostitution ihre Einnahmen generieren.
Regierungssprecher Eugenio Chicas unterstreicht indes die Law-and-Order-Strategie, mit der die linke Regierungspartei FMLN die Kriminalität im Land in den Griff bekommen will: "Die Haftanstalten sind Spelunken, aus denen die Kommandos kommen, die für einen Anstieg der Verbrechen im Land verantwortlich sind". Er warb um Verständnis: "Diese Maßnahmen sollen die Bevölkerung schützen."
Vermittlungsgespräche gescheitert
Damit dürfte ein vor Jahren international mit großem Interesse verfolgtes Experiment endgültig gescheitert sein: Damals hatte Militärbischof Fabio Reynaldo Colindres Abarca mit inhaftierten Führern der Mara-Gruppen erste Vermittlungsgespräche begonnen. Ergebnis war ein Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Banden, der die Mordrate in El Salvador um die Hälfte senkte und für Hoffnung sorgte.
Allerdings erwies sich die Vereinbarung als brüchig. Inzwischen ist die Mordrate wieder explodiert, das Vertrauen erschüttert. El Salvador ist mit 104 Morden je 100.000 Einwohner das gefährlichste Land weltweit außerhalb von Kriegsgebieten. Die FMLN schließt Verhandlungen aus und will die Mara-Gangs mit einer Politik der harten Hand besiegen.
